Manuela, 55 J. Wo fange ich an…

Neben den körperlichen Beeinträchtigungen und den Schmerzen leide ich am meisten unter den demütigenden Arztbesuchen und den übergriffigen Kommentaren meiner Mitmenschen.

Als Diagnose bekam ich immer wieder zu hören, es ist psychosomatisch oder die Krankheit wäre nur in meinem Kopf. Später hieß es dann Fibromyalgie, was letztlich auch nichts anderes bedeutet als psychosomatisch. Bei Unterleibs-Schmerzen sagte ein Gynäkologe ich solle mich nicht so anstellen, schließlich sei ich eine Frau. Viele Jahre später stellte sich heraus, dass ich Endometriose, eine Zyste und Myome in der Gebärmutter habe. Eine Kollegin empfahl mir, wegen meiner häufigen Beschwerden eine Psychotherapie zu machen, obwohl ich sie nicht nach ihrer Meinung gefragt habe. Eine Physiotherapeutin sagte mir mal, sie könne nichts mehr für mich tun und ich sollte Entspannungsübungen machen. Zu der Zeit musste ich 3x pro Woche zum Chiropraktiker um Blockaden zu lösen. Ein Praxiswechsel führte auch hier zum Erfolg. Zunächst hatte ich wöchentliche KG Termine. Jetzt komme ich 14-tägig umhin und wenn es mal ganz schlimm ist, habe ich noch einen Osteopathen. Seit einem Schlaganfall gehe ich auch zur Ergotherapie, was ich nicht mehr missen möchte.

Ich habe mich nie getraut über alle meine Beschwerden zu sprechen aus Angst davor in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Dies ist nicht unbegründet, wie ich vor kurzem in einem Gespräch mit einer Fabry-Betroffenen erfahren habe, der eben dies widerfahren ist.

Als mit Anfang 50 die Diagnose feststand, freute ich mich zu früh. Denn auch mit Morbus Fabry können die wenigsten Ärzte umgehen. Noch immer glauben Ärzte Frauen können nicht an Fabry erkranken. Von meinen früheren Ärzten war der Hausarzt überzeugt, dass nicht alle meine Beschwerden vom Fabry kommen und empfahl mir einen stationären Aufenthalt in der Psychosomatik. Der Neurologe wollte mich nicht untersuchen und überwies mich an eine ‚Spezialistin‘ in die Klinik. Diese Neurologin empfahl mir eine 3- monatige Arztkarenz.

Glücklicherweise gibt es aber auch noch die guten Ärzte, nur sind sie schwer zu finden. Ich habe jetzt endlich Fachärzte gefunden, die mich ernst nehmen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mit allen Empfindungen bzgl. meines Körpers richtig lag. Man sieht mir nur nicht an, dass ich krank bin.

Seit meiner Kindheit habe ich schon Magenschmerzen (chron. Gastritis) und auch Schmerzen im Rücken und in den Gelenken. Die Schmerzen traten mal an der einen oder anderen Stelle auf, ich nannte es meinen Wanderschmerz. Als Kind hatte ich häufige Infekte mit hohem Fieber (Harnwegsinfekte, Tonsillitis, Nebenhöhlenentzündung). Mit der Menstruation kamen dann noch starke Unterleibschmerzen hinzu. Migräne hatte ich sehr häufig, besonders bei Wetterwechsel von kalt auf warm oder verursacht durch Gerüche. Mein Gesicht war immer rot, die Haut hell und marmoriert. Die anderen Kinder haben sich im Freibad lustig über mich gemacht. Mit 12 Jahren war ich die größte in der Klasse. Aufgrund von Wachstumsstörungen durfte ich nicht mehr am Schulsport teilnehmen.

Im Alter von 40 waren die Schmerzen nach mehreren Bandscheibenvorfällen und 3 OPs so stark, dass ich 2 Jahre fast nur noch liegen konnte, sitzen ging gar nicht. Ein Rentenantrag wurde abgelehnt. Im nervenärztlichen Gutachten wurde eine „Somatoforme Störung“ diagnostiziert. Ich fand eine Halbtagsstelle und arbeitete im Stehen. Bei meinem Arbeitsantritt hatte ich eine Divertikulitis und mein Hausarzt wollte mich in die Klinik überweisen. Ich wollte nicht gleich in der ersten Woche ausfallen und habe die Zähne zusammengebissen, Antibiotika genommen und es irgendwie hingekriegt. Ich rede wenig über meine Schmerzen und versuche immer es mir nicht anmerken zu lassen. Bin auch selten zu Hause geblieben, obwohl ich so oft Migräne hatte. Nach der Arbeit hatte ich nicht mehr viel Kraft für Privates die Schmerzen waren unerträglich. Auch heute noch muss ich mich oft hinlegen, um die Muskulatur zu entspannen.

Ich habe mehr als 12 Jahre versucht meine Muskulatur zu kräftigen, konnte die Belastung aber kaum steigern. Auch meine Kondition ist trotz meiner Bemühungen immer schlechter geworden. Wenn ich die Ärzte darauf angesprochen habe, hieß es immer nur ich müsste mehr trainieren.

Ich reagiere sehr stark auf Umgebungsbedingungen. Duftstoffe, wie Deo, Raumdüfte, Reinigungsmittel verursachen Migräne. Wenn es zu kalt ist, habe ich Schmerzen. In klimatisierten Räumen halte ich es nicht aus. Meine Haut muss immer bedeckt sein. Im Winter schlafe ich mit einem Handtuch über dem Gesicht. Ein kalter Luftzug und die Stirnhöhlen entzünden sich und ich bekomme Kopfschmerzen, ebenso reagiere ich auf Baustaub z.B. beim Bohren in Gipskarton. Direkte Sonne vertrage ich gar nicht. Im Sommer ist es die Hitze, die nicht raus kann aus dem Körper, dann dusche ich mehrmals täglich, auch nachts. Andererseits kann mein Körper die Temperatur nicht halten und kühlt schnell aus.

Schmerzen habe ich im ganzen Körper. Die typischen Brennschmerzen in Händen und Füßen. Sowie Polyarthrosen, vor allem in den kleinen Gelenken der Hände und Füße. Jeder Handgriff und jeder Schritt sind schmerzhaft. Schmerzen werden aber auch durch die Muskelschwäche verursacht. Auch eine Folge der PNP. Meine Fußgelenke muss ich im Liegen immer auf die Seite legen, da schon das Eigengewicht Schmerzen verursacht. Ich kann nur noch auf einer sehr weichen Matratze auf dem Rücken schlafen. Sitzen ist auch nicht lange möglich. Wenn ich meine Arme hoch halte beim Arbeiten am PC oder auch nur ein Buch halte, bekomme ich einen stechenden Schmerz zwischen den Schulterblättern, der mir die Luft nimmt. Als ob mir jemand ein Messer in den Rücken sticht.

Mit 51 ging es mir immer schlechter, auch kognitiv ich konnte meiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Die Konzentrationsstörungen wurden immer massiver. Ich stellte mich in einer weiteren Schmerzambulanz vor und war endlich an der richtigen Stelle. Morbus Fabry wurde diagnostiziert.

Heute weiß ich, dass viele meiner Beschwerden mit der durch den Fabry verursachten Polyneuropathie (SFN) zusammenhängen. Leider habe ich den Eindruck, dass vielen Ärzten das Ausmaß der PNP und die Zusammenhänge nicht bewusst sind. Ich habe gelesen, dass einige meiner Symptome durch die Schädigung des autonomen Nervensystems bedingt sind, wie verzögerte Entleerung des Magens, Schlafapnoe, nicht mehr spüren, wie stark die Blase gefüllt ist, die Unfähigkeit zu schwitzen, Pupillenreflexstörungen uvm. Viele Medikamente verstärken den Effekt und nach Vollnarkosen hatte ich schon mehrfach Probleme den Darm wieder zur mobilisieren.

Ich vermittle den Eindruck, ich sei besonders ungeschickt durch häufige Stürze, ständig fallen mir Gegenstände aus der Hand und ich kollidiere häufig mit dem Türrahmen oder beim Geschirreinräumen mit dem Regalboden. Mittlerweile ist es so stark, dass ich nicht mehr ohne Hilfe über unebenen Boden (Kopfsteinpflaster oder Feldwege) gehen kann. Beim Gehen muss ich immer genau hinsehen, wo mein Fuß aufsetzt. Ich benötige immer einen stabilen Stand damit der Schwindel mich nicht aus der Bahn wirft. Das ist auch eine Folge der PNP eine Störung der Tiefensensibilität.

Durch meine Beeinträchtigungen war ich schon immer ein Sonderling. Das ist auch mit der Diagnose nicht anders geworden. Wir leben sehr isoliert, da nur wenige Menschen bereit sind auf meine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Unser Zuhause haben wir meinen besonderen Anforderungen angepasst und hier fühle ich mich geborgen. Der Austausch mit anderen Betroffenen tut mir sehr gut und ich bin froh, dass es die Selbsthilfegruppe und die Heimtherapie gibt.

Wütend macht mich, immer wieder zu hören, dass Fabrys erst therapiert werden, wenn organische Schäden nachgewiesen werden! Ich habe Angst vor dem, was noch auf mich zukommen kann. Ich hatte bereits einen Schlaganfall und habe eine Niereninsuffizienz. Noch kann ich dem Leben etwas positives abgewinnen aber ich weiß nicht wie viel ich noch ertrage…

Kraft gibt mir mein Mann, der mich immer unterstützt und trotzdem liebt so wie ich bin.

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